Gute Arbeit

Menschliches Leben umfasst die physische, kulturelle und geistige Reproduktion und reicht damit weit über den Bereich der Erwerbs- und Lohnarbeit hinaus. Arbeit ist mehr als Erwerbsarbeit, denn ohne die täglich zu leistende Arbeit in der Haushaltung, in der Erziehung, Sorge und Pflege, im Ehrenamt und im Kulturbereich könnte auch die in Lohnarbeit investierte Arbeitskraft sich im gesellschaftlichen Maßstab nicht reproduzieren. Die Erwerbsarbeit hat die spezifische Bedeutung, dass in ihr die Einkommen erwirtschaftet und die Güter und Dienstleistungen produziert werden, die gekauft werden können. Die Weiterentwicklung der Produktivkräfte erfolgt überwiegend im Bereich der Erwerbsarbeit.

Gute Erwerbsarbeit fördert die eigenen Stärken, schöpft Potenziale und eröffnet Perspektiven zur persönlichen und beruflichen Verwirklichung. Gute Arbeit ist vereinbar mit Familie und sozialem Leben. Voraussetzungen für gute Erwerbsarbeit sind: Sie muss mit dem Gewissen des und der Erwerbstätigen vereinbar sein, ein gutes Einkommen sichern, die berufliche Qualifikation in Wert stellen und keine zu hohen Ansprüche an die Flexibilität und die Fahrtzeiten bedeuten. Sie darf nicht gegen die politische und religiöse Gewissensfreiheit verstoßen. Erwerbsarbeit kann Quelle von Selbstverwirklichung sein, aber für viele beginnt Selbstverwirklichung außerhalb ihrer Arbeitsverhältnisse.

Massenerwerbslosigkeit ist erzwungene Erwerbslosigkeit und muss überwunden werden. Sie ist erniedrigend für die Betroffenen, und sie schwächt die Position der Beschäftigten und der Erwerbslosen und die Durchsetzungskraft ihrer Gewerkschaften gegenüber dem Kapital. Sie verursacht großen finanziellen Druck auf den Sozialstaat. Das führt unter anderem dazu, dass soziale Aufgaben wie Pflege oder Betreuung von Alten, Kranken oder Kindern verstärkt in den unbezahlten privaten Bereich verlagert werden. In der Konsequenz bedeutet das vielfach einen Verlust an Professionalisierung und insbesondere für Frauen eine verstärkte zeitliche und psychische Belastung. Die Massenerwerbslosigkeit schwächt zudem alle politischen Bestrebungen für eine soziale und ökologische Gestaltung der Produktions- und Lebensweise. Jeder und jede hat das Recht auf Arbeit und das Recht, konkrete Arbeitsangebote abzulehnen, ohne Sperrzeiten oder Sanktionen fürchten zu müssen. Zwang zur Erwerbsarbeit lehnen wir ab.

DIE LINKE will gute Arbeit statt ungesicherter, prekärer und unterbezahlter Beschäftigung. Deshalb soll jede Erwerbstätigkeit sozial versichert sein. Wir kämpfen dagegen, dass reguläre Beschäftigung durch Leiharbeit, Scheinselbstständigkeit, Endlospraktikaschleifen oder Minijobs ersetzt wird. Unabhängig von Geschlecht, Alter und Erwerbsstatus muss gelten: Gleiches Entgelt und gleiche soziale Standards für gleiche und gleichwertige Arbeit. Schluss mit Armutslöhnen und Lohndumping. Die Enteignung der Beschäftigten muss gestoppt werden. Deshalb fordern wir einen gesetzlichen Mindestlohn in existenzsichernder Höhe. Dieser Mindestlohn soll mindestens 60 Prozent des nationalen Durchschnittslohn betragen.

Tarifverträge müssen leichter als bisher für allgemeinverbindlich erklärt werden können. Öffentliche Aufträge dürfen nur an Unternehmen vergeben werden, die die Tarifverträge und Schwerbehindertenquote einhalten, Mindestlöhne zahlen und soziale und ökologische Kriterien beachten. Tarifflucht muss bekämpft werden. Das Entsendegesetz muss künftig für sämtliche Branchen vorschreiben, dass für alle Anbieter die Standards des Ortes gelten, an dem die Arbeit geleistet wird. Leiharbeit muss verboten werden. Der Kündigungsschutz muss verbessert und Befristungen müssen gesetzlich eng eingeschränkt werden. Inklusive Arbeitsverhältnisse für Menschen mit Behinderungen sind zu fördern. Auch Werkstattbeschäftigte brauchen Löhne und Gehälter, die ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.

Wir wollen regelmäßige Lohnzuwächse, die mindestens den Produktivitätszuwachs und die Preissteigerungen ausgleichen. Die Managergehälter müssen auf das 20-fache der untersten Lohngruppen im Unternehmen begrenzt, die Vergütung mit Aktienoptionen sowie übermäßige Abfindungen verboten werden.

Wir wollen die Arbeitszeiten bei vollem Lohn- und Personalausgleich verkürzen. Gute Arbeit für alle, aber weniger Arbeit für die Einzelnen – das wollen wir als neue Vollbeschäftigung. Die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit mit Kindererziehung und Pflege muss verbessert werden. Die Beschäftigten brauchen zudem größere Selbst- und Mitbestimmungsrechte in Bezug auf ihre Arbeitszeit und genügend freie Zeit für Erholung, Muße und selbstbestimmte Tätigkeiten. Durch die Reform des Arbeitszeitgesetzes soll die höchstzulässige durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden begrenzt werden. Perspektivisch streben wir eine Obergrenze von 35 Stunden, längerfristig von 30 Stunden an. Wir wollen, dass dabei für die Beschäftigten ein voller Lohnausgleich gesichert wird. Die Mitbestimmungsrechte von Personal- und Betriebsräten sind vor allem im Hinblick auf Personal- und Stellenpläne zu erweitern. So ist zu erreichen, dass die Verkürzung der Wochenarbeitszeit zu mehr Beschäftigung führt und der Leistungsdruck abgebaut wird. Den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz und das Jugendarbeitsschutzgesetz wollen wir verbessern. Die Ansprüche der Beschäftigten auf Weiterbildung wollen wir ausweiten. Auch der Wiedereinstieg in den Beruf nach einer schwangerschafts- und erziehungsbedingten Pause muss durch kostenfreie Weiterbildungsangebote erleichtert werden.

Gute Arbeit für jede und jeden erfordert erweiterte Mitbestimmung der Beschäftigten im Betrieb und im Unternehmen. Wir sind für bindende Veto-Rechte von Beschäftigten in bedeutenden sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Belangen. Starke und kämpferische Gewerkschaften sind notwendig. DIE LINKE unterstützt sie in ihren Anstrengungen. Das ungehinderte Streikrecht, einschließlich des Rechts auf den politischen Streik und den Generalstreik, muss gewährleistet werden. Die Aussperrung als Kampfinstrument der Unternehmer gegen die Gewerkschaften muss verboten, der Antistreikparagraph muss abgeschafft, die Tarifflucht muss gesetzlich unterbunden und das Verbandsklagerecht für Gewerkschaften eingeführt werden.

Die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechniken und des Internets bringt neue Möglichkeiten, Arbeit aus dem betrieblichen Zusammenhang zu lösen und mit eigenen Produktionsmitteln selbstbestimmt tätig zu sein. Insbesondere Soloselbstständige, die als Scheinselbstständige von einem Auftraggeber abhängig sind, sind bei Auftragseinbrüchen unmittelbar existenziell betroffen und unzureichend sozial abgesichert. Gleichzeitig wachsen damit die Risiken, auch qualifizierte "Informationsarbeit" zu verlagern, an billigere Anbieter im In- und Ausland zu vergeben und so Druck auf die Löhne und Arbeitsbedingungen auszuüben. In der Kultur- und Kreativwirtschaft und im Softwarebereich sowie in Callcentern sind ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse, schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen besonders verbreitet. In großem Maße werden zu miesen Konditionen arbeitende Selbstständige und Minijobber sowie Praktikantinnen und Praktikanten ausgebeutet. DIE LINKE setzt sich dafür ein, Praktika als Lernverhältnisse zu regeln und Mindestentgelte festzusetzen. Alle Selbstständigen müssen in den Schutz der Sozialversicherungen einbezogen werden, dabei sollen die Auftraggeber entsprechend den Arbeitgeberbeiträgen bei Arbeitnehmern zur Finanzierung herangezogen werden. Wo es möglich ist, sind gemeinsame Vergütungsregeln für von Selbstständigen für Unternehmen erbrachte Leistungen durchzusetzen.