Weichenstellung für Europa - Die EU braucht einen Neustart. Die Wahlen zum Europaparlament könnten dafür den Auftakt bilden.

Die letzte Plenarsitzung der laufenden Legislaturperiode des Europaparlaments ist Geschichte. Noch einmal waren die Abgeordneten aus den 28 EU-Mitgliedstaaten in der Woche vor Ostern zusammengekommen, um aktuelle Entwicklungen in Europa und der Welt zu analysieren, um Vorlagen und Berichte zu diskutieren, um über „europäische Gesetze“ abzustimmen und sie damit auf den Weg zu bringen. Ein paar Beispiele? Bei einer neuen Verordnung, auf die auch ich immer wieder gedrängt habe, ging es um Statut und Finanzierung europäischer politischer Parteien und Stiftungen – ein längst überfälliges Vorhaben, das die Regierungen verzögert haben, obwohl solche Parteien und Stiftungen längst zur politischen Realität im europäischen Alltag gehören und wichtig sind, um die EU demokratischer und bürgernäher zu machen. Leider hat diese Verhinderungstaktik aber zum Ergebnis, dass diese Änderungen bis zu den Wahlen am 25. Mai nicht greifen.

Die letzte Plenarsitzung der laufenden Legislaturperiode des Europaparlaments ist Geschichte. Noch einmal waren die Abgeordneten aus den 28 EU-Mitgliedstaaten in der Woche vor Ostern zusammengekommen, um aktuelle Entwicklungen in Europa und der Welt zu analysieren, um Vorlagen und Berichte zu diskutieren, um über „europäische Gesetze“ abzustimmen und sie damit auf den Weg zu bringen. Ein paar Beispiele? Bei einer neuen Verordnung, auf die auch ich immer wieder gedrängt habe, ging es um Statut und Finanzierung europäischer politischer Parteien und Stiftungen – ein längst überfälliges Vorhaben, das die Regierungen verzögert haben, obwohl solche Parteien und Stiftungen längst zur politischen Realität im europäischen Alltag gehören und wichtig sind, um die EU demokratischer und bürgernäher zu machen. Leider hat diese Verhinderungstaktik aber zum Ergebnis, dass diese Änderungen bis zu den Wahlen am 25. Mai nicht greifen. Grünes Licht hat das Parlament auch für das EU-weite Verbraucherrecht auf ein Girokonto für jedermann – eine originär Forderung von LINKEN, Sozial- und Verbraucherverbänden – gegeben. Ein weiterer Beschluss aus dem Finanzbereich sieht vor, dass künftig „Beipackzettel“ besser über den Inhalt und die Komplexität von Anlageprodukten informiert.

 

Dies sind nur wenige Beispiele dafür, dass DIE LINKE auf europäischer Ebene etwas  bewegen kann. Das hat sich übrigens nicht erst in der letzten Sitzung gezeigt. So hat die  Linksfraktion mit der etwas sperrigen Abkürzung GUE/NGL wesentlichen Anteil daran, dass das Anti-Produktpiraterie-Abkommen ACTA in der vom Rat gewünschten Form gestoppt wurde. Wir haben dazu beigetragen, dass der Kulturbereich aus dem Mandat für die Verhandlungen EU-USA über ein Freihandelsabkommen ausgeklammert werden musste, dass unfaire und menschenrechtswidrige Festlegungen in Handels- und „Partnerschafts“verträgen auf den Tisch kommen und dass intensiv über konstruktive Beziehungen zu Russland und China nachgedacht wird.

Natürlich kann die GUE/NGL als eine der kleinsten Parlamentsfraktionen keine Maximalforderungen durchsetzen. Dass Konservative und Sozialdemokraten im Europaparlament die stärksten Fraktionen haben und dort häufig unheilige Allianzen eingehen, zeigte sich ebenfalls in der letzten Sitzungswoche. So hatte das Parlament gegen die Stimmen der Linksfraktion und der Grünen eine Verordnung beschlossen, mit der das Verfahren bei künftigen Klagen von Konzernen gegen neue Gesetze der EU oder ihrer Mitgliedstaaten geregelt wird. Damit können Konzerne nun gegen neue Gesetze oder Regulierungen klagen, wenn sie durch diese ihre Gewinnerwartungen gefährdet sehen.

Die letzte Sitzungswoche hat nahezu exemplarisch belegt, dass nicht zuletzt die Zusammensetzung des Europaparlaments darüber entscheidet, wie die EU künftig aussehen wird. Es geht bei den Wahlen Ende Mai um nicht weniger als darum, ob die Weichen weiter in Richtung Neoliberalismus gestellt, den Konzernen Freibriefe für den Kurs auf Profitmaximierung ausgestellt und „Europas“ Interessen zunehmend aggressiver in der Welt durchgesetzt werden. Oder aber ob die Interessen der Menschen obenan gestellt, die EU in eine Sozialunion, in ein demokratisches und transparentes System mit weitgehender Bürgerbeteiligung, in einen Staatenverbund, der sich für Frieden, nichtmilitärische Konfliktbeilegung und eine gerechte Weltwirtschafts- und Welthandelsordnung einsetzt, umgewandelt wird.

 

Für mich gibt es eine ganz Reihe von Themen, bei denen „Europa“ dringend, umfassend und nachhaltig umgestaltet werden muss. Herausragend sind jedoch vier Handlungsfelder.  Zum Ersten geht es darum, die EU demokratischer zu machen. Das heißt nicht nur weitere  Stärkung der Rechte des Europaparlaments. Daneben muss es um eine breite Bürgermitsprache und Mitentscheidung gehen. Erste Schritte in diese Richtung wurden mit der Europäischen Bürgerinitiative gegangen, mit der Anliegen direkt an die EU-Kommission herangetragen werden können. Dieses Instrument muss ausgebaut und weiter verbessert werden. Ein übergreifendes Ziel ist es natürlich, in einem BürgerInnenkonvent zur Zukunft Europas klare soziale und demokratische Vorgaben im Hinblick auf die anstehende Überarbeitung der EU-Verträge zu machen.

 

Die Demokratisierung berührt direkt einen zweiten Punkt, der mir wichtig ist: Auch den Regionen und Kommunen muss eine stärkere Beteiligung an europäischen Entscheidungen ermöglicht werden, sind sie doch unmittelbar davon betroffen. Es geht nicht mehr nur um eine Anhörung der regionalen und kommunalen Vertreter bei bestimmten Verfahren oder um die – notwendige und sinnvolle – Bereitstellung von europäischen Fondsmitteln, um Entwicklungsunterschiede auszugleichen. Die Regionen und Kommunen sind keine passiven „Mittel- und Befehlsempfänger“, sondern politische, wirtschaftliche und soziale Akteure, die in alle Phasen der Beschlussfassung auf EU-Ebene eingebunden werden müssen.

 

Drittens, und dies betrifft meine unmittelbare Arbeit im Parlament, muss sich gerade die EU für eine gerechte Welthandels- und -wirtschaftspolitik einsetzen. Sieht man auf die aktuellen Handels- und Partnerschaftsverträge, ist leider das Gegenteil der Fall. Nur zwei Beispiele: Das trotz Protesten von Gewerkschaften und LINKEN vom EU-Parlament ratifizierte Handelsabkommen mit Kolumbien und Peru akzeptiert faktisch die fortgesetzte Verarmung der Landbevölkerung und entlässt die Regierungen aus der Pflicht zur Umsetzung von Demokratie und Menschenrechten. Und gegenüber einer Reihe von afrikanischen Staaten wird sogar eine offene Erpressungspolitik betrieben: Wenn ihr keine für die EU-Wirtschaft günstigen Verträge abschließt, werden wir euch den privilegierten Warenzugang nach Europa streichen. Solche Vorgehensweisen zeigen, dass eine grundlegende Neuausrichtung der EU-Handelspolitik auf Grundlage des "Fair Handeln!"-Prinzips dringend notwendig ist. Das schließt ein, die Entwicklungsunterschiede zwischen der EU und den Partnerländern bei der Ausgestaltung des Außenhandels ebenso zu berücksichtigen wie Sozial- und Umweltstandards. Die Rechte der indigenen Völker und aller Bevölkerungen weltweit auf selbstbestimmte wirtschaftliche Entwicklung und Beendigung der forcierten Interessen-Durchsetzung global agierender Unternehmen und transnationaler Konzerne müssen gewährleistet werden.

 

Um Handelspolitik im weitesten Sinne geht es auch im derzeit verhandelten Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen USA und EU, dem sogenannten TTIP. Die US-Regierung schwärmte bereits von der Schaffung einer „Wirtschafts-NATO“.

Es droht eine internationale Öffnung der Vergabe öffentlicher Daseinsvorsorge und damit ein neuer Anlauf der Privatisierung. Zudem könnte Genmanipulation in der Landwirtschaft künftig zur Regel werden, die kulturelle Vielfalt in Europa, der Datenschutz sowie Verbraucher- und Arbeitnehmerrechte oder ökologische Produktionskriterien auf der Strecke bleiben. Hier müssen „rote Linien“ eingezogen werden, und dafür will ich mich einsetzen.

 

Nicht zuletzt geht es darum, dass sich eine reformierte EU für Frieden, Abrüstung und internationale Sicherheit einsetzt. Die dramatische Entwicklung in der Ukraine macht es deutlich: Wir brauchen keinen Kraftmeier, sondern Dialog. 25 Jahre nach dem Mauerfall müssen wir endlichen beginnen, eine europäische Struktur für strategische und ökonomische Kooperation unter Einbeziehung Russlands aufzubauen.

 

Mein Fazit: Europa braucht einen Neustart. Die Wahlen zum Europaparlament Ende Mai können dafür eine wichtige Weichenstellung sein.

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