Dokumentarfilm trifft Bildung – im Gespräch mit Regisseur Dieter Schumann

Zum Gedankenaustausch mit dem Dokumentarfilmer Dieter Schumann über eine ostdeutsche Erinnerungskultur an den Schulen erklärt die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Elke-Annette Schmidt:

„Das Ziel des Treffens mit dem vielfach ausgezeichneten Dokumentarfilmer bestand darin, gemeinsame Wege zu erörtern, wie das filmische Erbe Ostdeutschlands – insbesondere in Form von Dokumentarfilmen – in die schulische Bildung des Landes eingebunden werden kann. Es bestand Einigkeit: Dokumentarfilme über das Leben in der DDR können ein Mittel historisch-politischer Bildung, kultureller Teilhabe und Reflexion über demokratische Verantwortung werden.

Dieter Schumann ist eine der zentralen Stimmen des ostdeutschen Dokumentarfilms. Seit über vier Jahrzehnten begleitet er mit der Kamera Menschen in ihren alltäglichen Kämpfen, Hoffnungen, Enttäuschungen und Aufbrüchen – stets mit einem empathischen, analytischen Blick und einer tiefen Verwurzelung in der ostdeutschen Realität. Sein bekanntester Film ‚flüstern & SCHREIEN‘ (1988) machte die musikalische Jugendkultur der DDR erstmals sichtbar und gab Bands wie Silly, Sandow oder Feeling B eine Plattform, die auch politische Sehnsüchte und Rebellionen transportierte. Sein späteres Werk ‚Neben den Gleisen‘ (2016) über die Begegnung von Geflüchteten und Einheimischen in einer mecklenburgischen Kleinstadt zeigt eindrucksvoll: Schumanns Filme sind immer auch gesellschaftliche Seismografen. Viele junge Menschen auch in Mecklenburg-Vorpommern wissen wenig über das Leben in der DDR – und über die tiefgreifenden Umbrüche nach 1990. Die Dokus von Dieter Schumann verdeutlichen die Realität, nicht die Parole. Sie zeigen echte Geschichten, Gefühle, Perspektiven.

Besonders in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Spaltung und zunehmender Radikalisierung ist es notwendig, jungen Menschen Werkzeuge zur historischen Reflexion und zur Ausbildung einer eigenen politischen Haltung an die Hand zu geben. Wir haben eine Vielzahl konkreter Überlegungen diskutiert, mit denen Dokumentarfilme im schulischen Alltag verankert werden könnten. Im Zentrum steht der Aufbau eines landesweiten Filmstocks mit didaktischen Materialien. Besonderes Augenmerk soll dabei auf Produktionen gelegt werden, die ostdeutsche Lebenswelten aus unterschiedlichen Perspektiven sichtbar machen – von der DDR-Alltagskultur über die Umbruchsjahre nach 1989 bis hin zu heutigen sozialen Herausforderungen in der Region. Für Dieter Schumann ist die Bildungsarbeit mit Dokumentarfilmen ein Herzensanliegen. Sein Motiv: Wenn wir wollen, dass junge Menschen verstehen, woher sie kommen, dann müssen wir ihnen nicht nur Fakten liefern, sondern auch Bilder, Stimmen und Stimmungen. Filme können das – sie gehen unter die Haut, lassen Fragen entstehen, machen neugierig auf Geschichte und Gegenwart.“