Anti-Corona-Demos und „Abendspaziergänge“ – eine Einordnung

Wenke Brüdgam & Torsten Koplin

Die Corona-Pandemie ist einmalig, weil dem medizinischen Personal und politischen Verantwortungsträger*innen bislang keine Medikamente oder Impfstoffe zur Eindämmung des Virus zur Verfügung stehen. In den ersten Wochen von Corona musste daher das öffentliche Leben immer weiter heruntergefahren werden, um Ansteckungen zu verringern und das Gesundheitssystem zu schonen. Jetzt, nachdem einige Maßnahmen gelockert wurden und beispielsweise Restaurants oder Geschäfte wieder geöffnet haben, gibt es auch in Mecklenburg-Vorpommern sogenannte „Anti-Corona-Demonstrationen“ oder „Abendspaziergänge“, auf denen die Eindämmungsmaßnahmen in Frage gestellt bzw. Verschwörungserzählungen verbreitet werden. 

Demonstrationen und ähnliche Versammlungen haben bislang in Neubrandenburg, Schwerin oder Rostock stattgefunden. Die Besucher*innen dieser Versammlungen sind wie z.B. im Falle von Neubrandenburg auf dem ersten Blick sehr heterogen. Allerdings ist das Engagement von AfD-Mitgliedern oder anderen Rechtsextremen sehr auffällig. Die Botschaften und Kernaussagen auf diesen Demonstrationen reichen von der Kritik an den Eindämmungsmaßnahmen, weil diese als übertrieben gewertet werden, bis hin zur vollständigen Negierung der Corona-Pandemie und ihren tödlichen Auswirkungen. Eine Teilnahme von Mitgliedern der LINKEN ist nicht bekannt. 

Jede und jeder in diesem Land hat das Recht auf ihre oder seine eigene Meinung. Ein Recht auf eigene Fakten gibt es nicht. Es ist richtig, wenn Grundrechtseinschnitte hinterfragt, kritisiert und deren Verhältnismäßigkeit ständig überprüft wird. Nichts anderes fordert DIE LINKE auch. Es ist jedoch unredlich, wenn geringe Ansteckungszahlen als Erfolg der bisherigen Maßnahmen nun als Argument für ein vermeintlich geringes Risiko von Corona herhalten müssen. Wirre und durchschaubare Verschwörungserzählungen sowie Vergleiche mit diktatorischen Zuständen sind unmissverständlich abzulehnen. Auch das jetzige Engagement der rechtsextremen AfD, die zu Beginn der Krise vollkommen überfordert war, muss aufhorchen lassen. Zusammenhalt, Solidarität und Besonnenheit der letzten Wochen haben dafür gesorgt, dass die Umfragewerte der AfD gesunken sind. Wenn diese Partei nun angeblich für Grundrechte auf die Straße geht, die sie anderen Bevölkerungsgruppen wie z.B. Geflüchteten verwehren möchte, ist das durchschaubar. 

Knapp 8.000 Corona-Tote in Deutschland und weitaus mehr Opfer weltweit, müssen alle davor warnen, jetzt auf einfache Antworten zu setzen. Die gesamte Gesellschaft trägt besondere Verantwortung für Schutzbedürftige. Halten wir deshalb weiterhin Abstand – nicht nur an der Supermarktkasse, sondern auch vor kruden und wirren Theorien selbsternannter Welterklärer*innen.