Brief an den Landes- und Bundesvorstand der Partei DIE LINKE zu Corona

Liebe Genossinnen, liebe Genossen, seit längerer Zeit beobachten wir besorgt die Stagnation und Disharmonie in der Partei. Mit der Strategiedebatte haben wir wieder Hoffnung geschöpft und unser daran mit einem Beitrag beteiligt. Das Ergebnis auf der Strategiekonferenz in Kassel wurde nicht zusammenfassend für alle Nichtteilnehmer bekannt gemacht. Was dafür für den Leitantrag zum nächsten Parteitag wichtig war, ließ der Vorstand uns nicht wissen. Als Teilnehmer konnte man nicht bei allen Foren dabei sein. Fälschlich ist , dass die Konferenz ein klares Votum für eine Regierungsbeteiligung ausgesprochen ist. Klar haben sich dafür insbesondere nur die Genn. Katja Kipping und der Gen. Bernd Riexinger ausgesprochen. Die Mehrheit der Teilnehmer machte auf die Inhalte unseres gültigen Parteiprogramms aufmerksam und wies auf deren Einhaltung hin. Auch die Genn. Amira Mohamed Ali tat dies mit deutlichen Worten. Auf unserer Landeskonferenz im April wollten wir mit unseren Genoss*innen über das Thema zwischen Strategiedebatte und Bundesparteitag diskutieren. Leider mussten wir die Veranstaltung aus den bekannten Gründen, Corona-Virus, absagen. Ja, das Corona-Virus hat weltweit alles im Griff, aber muss es deshalb vom morgens bis abends in den Medien unser Leben bestimmen?

Wir haben uns im Sprecherrat mit dem Thema per Post und Telefon ausgetauscht und möchten mit Euch einen Meinungsaustausch machen.

In erheblichem Maße haben die Folgen des Corona-Virus hochentwickelte kapitalistische Staaten in Europa getroffen z.B. Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland. Daraus folgt, dass das Gesundheitssystem in Europa nicht in der Lage ist, eine Katastrophensituation zu meistern. Wobei man sagen muss, dass die Bundesregierung schlecht vorbereitet war, trotz ihrer Bundesdrucksache „Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“. Herausgegeben als PDF vom 03.01.2013 auf dem Parlament-Server. Es ist ein perfektes Drehbuch für das Krisenmanagement für ein Corona-Virus (novel Corona-Virus). Nicht zu finden sind die notwendigen Vorsorgemaßnahmen im Gesundheitswesen. Außer man wollte die Fülle der Verbote als rechtzeitige, medizinische Vorbeugung eines Pandemie-Szenario begreifen. Genauso lief es dann 2020 ab. Die Gedanken sind frei!!!

Die Globalisierung und ihre folgende Arbeitsteilung ist so anfällig, dass geringe Störungen starke Folgen haben (z. B. Keine territorialen Kreisläufe bei der Versorgung, keine Lagerwirtschaft, die Lager befinden sich auf der Straße). In Europa gibt es kein einheitliches Handeln. Die globale Wirtschaftsteilung und die ständige Forderung nach Privatisierung, insbesondere in den Bereichen der Daseinsvorsorge lähmen nun das kapitalistische System. Besonders deutlich sind die Auswirkungen im Gesundheitswesen. Rückblickend wurden in den letzten Jahren die Anzahl der Krankenhäuser und ihre Bettenanzahl reduziert, weil es sich sonst „nicht rechnet“. Ein Krankenhaus sollte wie jeder Produktions- und Dienstleistungsbetrieb Gewinne erwirtschaften. Das steht im krassen Widerspruch zu den notwendigen sozialen Leistungen eines Gesundheitswesens. Nun zeigt sich, der katastrophale Zustand in diesem Bereich. Das Sparen und Privatisieren an falschen Objekten zeigt sich hier in aller Deutlichkeit.

Die Ausmaße der großen Krise zeigt sich in den ärmeren Staaten Afrikas, Asiens und Südamerika etwas später. Sie haben kaum Ressourcen und Rohstoffe und sind auf den Export angewiesen. Sie werden auch von den hochentwickelten Staaten als Niedriglohnsektor ausgenutzt.

Die Folge der Corona-Virus-Krise wird eine große Wirtschaftskrise sein, die zu einer anderen Wirtschaftsordnung führen kann. Die Tendenz kann nach links oder rechts gehen. Wobei die Neigung eher nach rechts tendiert, wenn man das Erstarken der rechten, nationalistischen, teils faschistischen Kräfte nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Staaten Europas,sieht.

Eigenartiger Weise sind bisher mit der Corona-Krise die „Feinde der Demokratie und der Freiheit“ anders umgegangen. Das sind China, Russland und Kuba. Trotz ihrer eigenen Virus-Bekämpfung haben sie das am schlimmsten betroffene Italien solidarische Hilfe mit Ärzten und Material geleistet. Was hat Kuba beispielsweise für Südamerika und Afrika geleistet und was leistet es jetzt in Italien. Wer achtet das? Im Gegenteil wird Kuba seit Jahrzehnten mit Sanktionen belegt. Hauptverursacher sind die USA und Europa ordnet sich dem unter. Es wäre eine Gerechtigkeit, die verbrecherischen Handlungen der USA in der Welt anzuklagen. Wer aber macht das!?! DIE LINKE leider nicht!

Die DKP hat am 29.03.20 eine Petition an den Bundestag eingereicht, in der sie fordert alle Sanktionen gegen Kuba, Venezuela und Russland wegen Behinderung der Pandemiehilfe mit Ärzten, Material und Medikamenten einzustellen. Hoffentlich finden sich zahlreiche Unterstützer.

Die Europäische Zentralbank pumpt ungeheure Mittel in die Wirtschaft. Die BRD folgt. Es gibt viel Verständnis und Solidarität unter den Menschen.

Wo ist die Solidarität der großen Unternehmen? Wer erklärt sich bereit, beim Kurzarbeiter- Geld aufzustocken? Mit wenigen Ausnahmen ist das Gegenteil der Fall. Wo ist die Haltung der Immobilienunternehmen, Zuspitzungen in der Mietzahlung abzuwehren? Z.B. erhöhen die Heizkraftwerke in Rostock jetzt die Preise!

Der größte Teil der kleinen Unternehmen kann die Belastung nicht ausgleichen. Es folgt eine gewaltige Differenzierung des Mittelstandes.

Die wesentlichen Hilfen werden in die großen Unternehmen fließen. Es fehlen Informationen, dass solche Mittel in den sozialen Bereichen der Unternehmungen ankommen. Zuletzt trägt die Hauptlast die Masse der Werktätigen. Das Überleben der Unternehmen bedeutet, ihre Profite zu erhöhen.

Ein großes Hindernis ist das mittelalterliche föderale System der BRD. Das länderübergreifende Handeln kam und kommt nur mühsam zustande. Der bayerische Ministerpräsident fühlt sich dabei als Kurfürst. Die unhaltbaren Zustände in der Bildung machen die Schulen handlungsunfähig. Ein digitales System der Unterrichtsvermittlung steht nicht zur Verfügung und fordert die Kreativität vieler Lehrer heraus.Gäbe es eine einheitliches Bildungssystem, könnte das Fernsehen sofort täglich Schulstunden senden. Das wäre für alle Schülerinnen und Schüler, gleich aus welcher sozialen Schicht sie kommen, gleichwertiger Unterricht. Die Medien haben völlig versagt. Täglich wird stundenlang über die Sender das gleiche getrommelt.Neuigkeiten und Sehenswertes gibt es kaum. Die Menschen werden regelrecht abgestumpft. Alle Kulturstätten sind geschlossen (eine Lockerung soll ab 04.05. für Zoos, Museen , Bibliotheken eintreten). Das Fernsehen bietet nach wie vor seichte anspruchslose Unterhaltung. Ob Fernsehen, Rundfunk oder Presse, es hat nie so primitive Unterhaltung gegeben. Besonders hier zeigt sich die Verödung der Gesellschaft. Es ist ein Abbild der politischen Gesellschaft in der Gesamtheit. Den Machern entgeht völlig, dass sie dämpfend auf die Stimmung der Menschen mit entsprechenden Programmen einwirken können.

Die Dauer der bestehenden Beschränkungen sind gerade von der Bundesregierung ein wenig gelockert worden. Damit ist die Gefahr durch das Virus nicht vorbei. Neuinfektionen werden weiter möglich. Erst mit einem Impfstoff kann das Virus mit Erfolg bekämpft werden. Der wird aber in diesem Jahr nicht mehr zur Verfügung stehen.

Immer neue Fakten laufen darauf hinaus, dass eine Reparatur des Systems die Probleme nicht löst. Es werden sich schmerzhafte Eingriffe erforderlich machen. Das ruft die Konservativen auf den Plan. Diese werden auch in Zukunft jegliche Veränderungen mit den absurdesten Argumenten verhindern.

In dieser Zeit erfolgen Angriffe des Kapitals auf die erreichten sozialen Bedingungen. Vor allem werden Löhne davon betroffen sein. Es folgen weitere Forderungen nach staatlicher Hilfe für große Unternehmen. Der Stand vor der Corona-Krise ist nicht wieder erreichbar, denn der Mittelstand hat sich dann, wie schon erwähnt, stark differenziert. Die bekannten Ketten werden in noch größerem Maße das Bild der Versorgung bestimmen. Nicht die Bedürfnisse der Menschen stehen im Mittelpunkt, sondern ein durch Werbung betriebenes Kaufverhalten der Bevölkerung. Wenige bestimmen, was für die Menschen gut ist.

Es folgt dann die Zeit des Selbstlobes. Damit wollen die Regierenden beweisen, dass sie das beste System vertreten. In Wirklichkeit ist es der Versuch, ein verrottetes Gebilde über die Krise zu retten. Dazu werden sie eine noch nie dagewesene Sparorgie in Szene setzen, denn die Profite für Wenige müssen gewährt bleiben.

Was ist zu tun?

1. Es ist jetzt zu überlegen wie die Partei aus der verordneten Starre herausgeführt werden kann. Zu beachten ist, die vorhandenen Kräfte nicht zu überschätzen.

2. In den Kreisen sollten Genoss*innen beauftragt werden, zu Hause Material über die Bewältigung der Krise zu sammeln. Es geht um Leistungen der Mitarbeiter des Gesundheitswesens und die Solidarität der Bevölkerung. Auch das Verhalten von Unternehmen gehört dazu. Das Material sollte der politischen Arbeit dienen.

3. Höhepunkte des Jahres wie Ostermärsche, 1. Mai, 8. Mai und andere können 2020 nicht oder nur eingeschränkt begangen werden. Die Ostermärsche wurden überwiegend digital gestaltet. Das Eintreten für Frieden darf nicht ins Hintertreffen geraten, sondern muss weiterhin unser 1. Prinzip sein. Unter Einhaltung der Beschränkungen lässt sich sicher auch etwas zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus organisieren. Den Jahrestag müssen wir ideenreich trotzdem gestalten, denn es muss demonstriert werden: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!

4. Mit der Corona-Krise eröffnet sich ein Bildungszwang. Wie beurteilen wir den Zustand der Gesellschaft und was ist möglich. Diese Aufgabe erhält eine Priorität durch die ungehemmte weitere Zerstörung des Planeten und der damit vorhandenen Klimakrise Alle Aktivitäten sollten von uns die größte Unterstützung erhalten.

5. Die ständige Anbiederung zur Regierungsbeteiligung an SPD und Grüne muss gestoppt werden. Die Wirklichkeit zeigt uns, dass wir als kleinster Partner in einer kapitalistischen Regierung nicht das berühmte Zünglein an einem Politikwechsel sind. Mit diesen Parteien kann man keinen Politikwechsel erreichen, das haben sie über Jahre bewiesen. DIE LINKE wäre lediglich an der Macht beteiligt und müsste ihr Alleinstellungsmerkmal aufweichen oder gar aufgeben. Damit wäre das Erfurter Programm Geschichte und wegen der Beliebigkeit der Parteiuntergang nicht aufzuhalten.

Wichtig sind:

- Klarheit in den Köpfen durch politische Bildung

- Bündnispolitik mit der Friedensbewegung und anderen linken Kräften sowie mit allen Bewegungen, die für soziale und Klimagerechtigkeit streiten.

Mit solidarischen Grüßen

i.A: Waltraud Tegge

Landesprecherin der KPF.MV